Nachbericht Resiliente Orte: Zur Gleichzeitigkeit von Widerstandskraft und Wandlungsfähigkeit
Ein Webinar, das sich der Frage widmete, wie kooperative Orts- und Stadtkernentwicklung zur Resilienz in Städten und Gemeinden beitragen kann. 160 Teilnehmende nutzten diese Möglichkeit, dem Konzept der Resilienz auf den Grund zu gehen, tauchten in Erfahrungen ausgewählter Initiativen von Ländern und Gemeinden ein und erhielten einen Überblick zu aktuellen Förderangeboten.
Alistair Adam-Hernandez (Vechta Institute of Sustainability Transformation in Rural Areas) eröffnete den gemeinsamen Vormittag mit konzeptionellen Überlegungen, wie man als Ort resilienter werden kann. Er erklärte dies anhand der drei Perspektiven „lebendige Beziehungen“, „wirkungsvolle Akteure, Strukturen und Prozesse“ und „zukunftsfähige Lösungen“, die sich in Folge auch durch die Veranstaltung zogen. Entlang dieser Blickwinkel lassen sich auch die Erkenntnisse des Tages zusammenfassen.
Themenübergreifende Bearbeitung
Resiliente Orts- und Stadtkernentwicklung zielt darauf ab, unterschiedliche Nutzungen wie Nahversorgung und Handel, kommunale Dienstleistungen, Gastronomie oder Freizeitangebote zu verbinden. Am Beispiel des Multifuktionshauses Thal (Walter Vögel) oder der Gemeinde Moosburg (Bürgermeister Gaggl) erfuhren die Teilnehmenden, dass die Verschränkung unterschiedlicher Nutzungen einem Gebäude oder Ortskern neues Leben einhauchen kann und dafür sorgt, dass die einzelnen Angebote auch dauerhaft verfügbar bleiben. Auch im Interview mit Stefan Spindler (Ortskernkoordinator im Land Steiermark) wurde klar, wie wichtig es ist, Ortskernentwicklung als Prozess zu verstehen, der über das einzelne Objekt mit seiner einzelnen Nutzung hinausgeht um einen „Raum mit Angeboten für alle Generationen“ zu schaffen.
Diversität und Zusammenarbeit
Resiliente Orts- und Stadtkernentwicklung ist nicht nur Aufgabe der Kommunen. Am Beispiel seiner Gemeinde Moosburg zeigte Bürgermeister Gaggl eindrucksvoll, wie die Beteiligung vieler unterschiedlicher Personen einen Ortskern zu beleben vermag. Die Wichtigkeit, „Bürgerinnen und Bürger als Partnerinnen und Partner“ einer Gemeinde für die Orts- und Stadtkernentwicklung zu sehen, unterstrich auch Martin Netzer (ÖAR GmbH) in der Präsentation zur Studie zu Multifunktionszentren. Dieser Schritt weg vom Bild der Bürgerin/ des Bürgers als Kundin/ Kunde sei wichtig, um Engagement und Eigenverantwortung zu erzeugen. Auch Stefan Spindler betonte die Wichtigkeit der Beteiligung, indem er darauf verwies, unter anderem Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer sowie Wirtschaftstreibende in den Prozess hereinzuholen.
Koordination und Expertise
Integrierte Bearbeitung und breite Beteiligung erzeugen Komplexität und erfordern, dass sich jemand um die Abstimmung bemüht. Gleichzeitig sind derartige Entwicklungsprozesse oft erst mittel- bis langfristig wirksam und müssen deshalb aktiv am Laufen gehalten werden. Dazu braucht es „Kümmerer“. Neben jenen auf der lokalen Ebene setzt man in den Beispielen der Landesansätze aus der Steiermark und Tirol zusätzlich auch noch auf die LEADER- und Regionalmanagements als zentrale Akteurinnen und Akteure der Vernetzung. Gottfried Lamers (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) verwies weiters auf Klima-und Energie-Modellregionen (KEM) und Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (Klar!), die für Klimaschutz, beziehungsweise Klimawandelanpassung, diese wichtige Rolle einnehmen. Für all jene dieser Zuständigen, die speziell mit Leerstand befasst sind, hat die TU Wien mit einem interdisziplinären Team das Handbuch „Leerstand mit Aussicht“ erarbeitet, das Isabel Stumfol (TU Wien, Verein LandLuft) präsentierte. Es ist als Kartenset aufbereitet und umfasst die Erhebung von Leerstand, dessen Aktivierung bis hin zu den Portraits von Pionierinnen und Pionieren der Arbeit mit Leerständen.
Vision und Planung vor dem konkreten Handeln
Resilienz entsteht nicht nur durch puren Aktionismus. Das unterstreichen viele der Referentinnen und Referenten. Nur durch gemeinsame Überlegungen vorab gelingt es, die oben genannten Voraussetzungen auch Realität werden zu lassen. Danach ist es aber wichtig, sichtbare Ergebnisse zu schaffen denn „Vision ohne Handeln ist wertlos“ (Bürgermeister Gaggl)
Ressourcen und Förderungen
Gerade in der Umsetzungsphase ist Orts- und Stadtkernentwicklung oft mit hohen Kosten verbunden. Gottfried Lamers gab in seinem Input einen Überblick zu den Fördermöglichkeiten im Zuständigkeitsbereich des BMK. Er erklärte unter anderem die Möglichkeiten der Umweltförderung im Inland mit Unterstützung für thermische Gebäudesanierung, die Sanierungsoffensive für Haushalte und die Förderungen für klimafitte Ortskerne im Rahmen des Resilienzfonds der EU. Teresa Schmid (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) ergänzte dazu die für Orts- und Stadtkerne vorrangigen Maßnahmen im GAP-Strategieplan. Eine davon widmet sich der Reaktivierung des Leerstandes mit Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Reaktivierung des Leerstands wie Leerstandsmanagements, Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzepte etc.
Mit der zweiten Maßnahme, Orts- und Stadtkernförderung, wird die Umsetzung in Verbindung mit Sanierung, Um- und Weiterbau von leerstehenden, fehl- oder mindergenutzten Gebäuden sowie Schaffung und Sanierung von öffentlichen Flächen im Zentrum unterstützt. Beide Maßnahmen werden durch die Bundesländer umgesetzt. Dazu gab Christian Stampfer (Land Tirol) Einblick in die Vorgehensweise in Tirol und wie hier in Zusammenarbeit mit den LEADER-Regionen Ortskernentwicklung als regionales Thema bearbeitet wird.
Mut und Offenheit
Gerade der Resilienz-Aspekt der Wandlungsfähigkeit impliziert Unsicherheit. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen und offen neue Wege gehen. Dies verlangt nach Mut, sich dieser Unsicherheit zu stellen. Es wurden an diesem Tag zahlreiche Unterstützungsstrukturen genannt (zum Beispiel Ortskern Koordinator im Land Steiermark, Leerstands- LEADER- und Regionalmanagements, etc.), die durch ihre Fach- und Prozesskompetenz dabei helfen, Unsicherheit zu reduzieren und Fehler als Lernerfahrungen nutzbar zu machen.