Case Study: Bodenkoffer: gesunder Boden – Beurteilungstoolbox mit App
Allgemeine Informationen
Projektlaufzeit (Start- und Enddatum) | 2019 – 2022 |
Projektregion | Oberinnviertel – Mattigtal |
Lokale Aktionsgruppe | LEADER Oberinnviertel – Mattigtal |
Förderperiode | LE 14-20 |
Maßnahme im GAP-Strategieplan | 19 LEADER |
Finanzierung in Euro
Gesamtprojektkosten (i)+(ii)+(iii) = | 28.574,84 € |
+ (i) GAP Strategieplan | 80 % |
+ (ii) Private und Eigenmittel | 20 % |
+ (iii) Andere Finanzquellen | — |
Kurzbeschreibung
Bodengesundheit und eine nachhaltige Bodennutzung werden immer wichtiger für die Produktion regionaler und hochwertiger Produkte. Die Kapazität des Bodens als Kohlenstoff- und Wasserspeicher beeinflusst die Natur und das Klima positiv. Umso gesünder, lockerer und belebter die landwirtschaftlich genützten Flächen sind, desto weniger Düngemittel werden benötigt. Infolge zeigt sich auch ein höherer Ernteertrag.
Damit Landwirte und Landwirtinnen und die breite Öffentlichkeit mehr über ihren Boden erfahren wurde das Projekt „Bodenkoffer“ in der LEADER-Region „Oberinnviertel-Mattigtal“ in einem Team entwickelt. Eine Beurteilungsbox mit App, der „Bodenkoffer“, wurde geschaffen. Das Tool ermöglicht es zahlreichen Landwirten und Landwirtinnen, die Analyse ihrer Ackerböden und Grünflächen eigenständig durchzuführen. In 10 Stationen werden mit dem „Bodenkoffer“ chemische, biologische und technische Analysemethoden zur Untersuchung des Bodens angewendet. Die Daten der Analysen können im Anschluss digital über eine Smartphone-App oder schriftlich im beiliegenden Anleitungsbuch festgehalten werden. Die Auswertung der Ergebnisse liegt unmittelbar nach dem Übermitteln der Daten vor. Zur richtigen Anwendung des „Bodenkoffers“, wurde den Landwirten und Landwirtinnen ein individuell entwickeltes Kursprogramm angeboten. Das Kursprogramm wurde von 15-20 Bodenbotschaftern der Region in kleinen Gruppen vor Ort durchgeführt.
Durch den entwickelten „Bodenkoffer“ erhielten Landwirte und Landwirtinnen professionelle Werkzeuge, um ihre Acker- und Grünflächen der Region selbstständig analysieren zu können. Je besser ein Landwirt seinen Boden kennt, desto besser kann er auf extreme Umwelteinflüsse reagieren und Pflanzenschutz- und Düngemittel reduzieren und doch einen hohen Ertrag erwirtschaften.
Mithilfe dieses Projektes wurde eine Steigerung der Bewusstseinsbildung für Bodengesundheit erreicht.
Das Projekt „Bodenkoffer“ zeigt ebenfalls positive Wirkungen im Umgang mit natürlichen Ressourcen und dem kulturellen Erbe. Damit unterstützt man den Erhalt von kleinstrukturierten Landwirtschaften, was wichtig ist, um die Produktionsvielfalt zu bewahren und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen zu fördern.
320 „Bodenkoffer“ sind in Österreich, Bayern, Südtirol, Luxemburg und El Salvador im Einsatz. Der „Bodenkoffer“ wurde von weiteren LEADER-Regionen übernommen, darunter sind die LEADER-Region „Mitten im Innviertel“, „Sauwald-Pramtal“ und „Mühlviertler Alm“. Auch Organisationen im Bereich der Regionalentwicklung und im Natur-Klimaschutz wie beispielsweise „REGIS Raeticon“ und „KLAR Gölsental“ nutzen das Tool. Der „Bodenkoffer“ findet darüber hinaus Anwendung in vielen Landwirtschaftlichen Fachschulen in Oberösterreich, Kärnten, Niederösterreich, Tirol und Bayern. Eine Absolventin einer landwirtschaftlichen Schule brachte zum Beispiel für ihr freiwilliges soziales Jahr 2022 einen „Bodenkoffer“ nach Südamerika. Am Universitätscampus Burghausen (Deutschland) wird der Bodenkoffer ebenfalls im Unterricht verwendet.
Was macht dieses Projekt besonders nachahmenswert?
Man ist stolz auf:
- Die einfache, niederschwellige Anwendung des Bodenkoffers durch die Landwirte und Landwirtinnen sowie die einfache Projektabwicklung (nur Bodenkoffer und Einschulung) für Projektträger.
- Die große Wirkung für die Umwelt und Bodengesundheit.
- Auf bereits 2x bundesweite Auszeichnungen: zum einen vom Netzwerk.Land und Bundesminister Norbert Totschnig und zum anderen von Bundesministerin Leonore Gewessler, nämlich den Erdreich-Preis. Weiters wurde der Bodenkoffer im März 2024 auch in einem Netzwerktreffen der Subgroup on LEADER and Territorial Development in Brüssel als „inspriational practice“ vorgestellt.
Warum war es wichtig, dieses Projekt umzusetzen (Kontext)
Zentral für die Initiation des Projektes war der Leidensdruck in der Landwirtschaft, der Bodenversiegelung entgegenzuwirken. Nur wenn Landwirte und Landwirtinnen wissen, wie sie es schaffen, einen gut durchlüfteten und gesunden Boden zu bekommen bzw. zu erhalten, können sie nicht nur Pflanzen- und Schädlingsbekämpfungsmittel einsparen, sondern es auch ermöglichen, dass ihr Boden besser mit Extremwettersituationen zurechtkommt. Der Mangel an günstigen und einfach verwendbaren Analysetools für Landwirte und Landwirtinnen hat den Bedarf nach diesem Projekt geweckt. Im Austausch mit der LEADER-Region, lokalen Akteuren (Bauernkammer, Landwirte und Landwirtinnen, Boden.Wasser.Schutz Beratung), der Firma AGRAR-EN und dem finalen Impulsgeber Ferdinand Tiefnig wurde die Idee des Bodenkoffers geboren.
Ziele
Durch das Projekt „Bodenkoffer“ sollte erreicht werden,
- dass sich die Landwirte und Landwirtinnen intensiv mit ihrem Boden – ihrer Erde, auf der sie stehen – auseinandersetzen, sie fühlen, schmecken und riechen und dadurch optimale Maßnahmen für den Umgang mit den Böden wählen können.
- dass Zusammenhänge klar werden. Beispielsweise, wie lange es dauert, bis Humus entsteht und wie wichtig es ist, dass er nicht durch Dürre oder Starkregen weggeweht oder weggespült wird.
- dass in 10 Schritten eine sinnvolle Bodenbeurteilung durchgeführt werden kann, die biologische, physikalische und chemische Aspekte beleuchtet. Damit sollen passende Maßnahmen getroffen werden, um eine gute Bodenbeschaffenheit für die Zukunft zu schaffen.
Maßnahmen
- Vor dem Projektstart: Erste Gespräche 2018 als Folge starker Wetterbelastungen und deren Auswirkungen auf die Böden zwischen LEADER Büro, lokalen Akteuren (Bauerkammer, Landwirte/Landwirtinnen, Boden.Wasser.Schutz Beratung) und Ferdinand Tiefnig (Impulsgeber); danach ein Termin auch mit Norbert Ecker (AGRAR-EN) in dem spontan die Idee einer Toolbox mit allem, was ein Landwirt benötigt, um die eigenen Böden niederschwellig zu beurteilen, entstand.
- Mitentwicklung des Bodenkoffers durch die LEADER Region
- Kofferübergabe Ende Februar 2020 mit Präsentation der 10 Stationen und Anfertigung von Videos für die Homepage
- Für jede Ortbauernschaft der 37 Mitgliedsgemeinden wurde nach der ersten Fertigstellung ein Bodenkoffer zur Verfügung gestellt. In jeder der Gemeinden gibt es nun einen Landwirt oder eine Landwirtin mit einer Bodenkofferstation. Hier können sich andere Interessierte den Koffer gegen einen kleinen finanziellen Betrag ausborgen.
- Ermöglichung von Dorfgesprächen über die Ortsbauernschaften (Dreistündige Einschulung mit einem Bodenpraktiker in das 10-Schritte Programm des Bodenkoffers) – Auf dieser Website gibt es eine Liste von Personen, die Einschulungen vornehmen und/oder Bodenkoffer zum Ausborgen besitzen.
- Entwicklung eines Anleitungsheftes mit Beschreibung der Stationen
- Kooperationen mit Schulungen für Bodenpraktika in der Landwirtschaftsschule Burgkirchen (wesentliche Multiplikatoren in der Verbreitung)
- Organisation von Bodentagen mit hochrangigen Vortragenden zum Thema der Böden
- Kontinuierliche Kontaktaufnahme mit Landwirten und Landwirtinnen bezüglich Feedbacks, Erfahrungen weiteren Bedarfen und Neuerungen
- 2024: Erweiterung des Bodenkoffers um drei weitere Stationen & Einführung des Vanhoof Profilspatens
Ergebnisse und Wirkungen
Wirkungen quantitativ:
- Die Bodenkoffer finden international Anklang. Mittlerweile sind 320 „Bodenkoffer“ in Österreich, Bayern, Südtirol, Luxemburg und El Salvador im Einsatz.
Wirkungen qualitativ:
- Klima: Der Bodenkoffer trägt dazu bei, gesunde Böden zu fördern und damit mehr CO2 zu binden Bindung.
- Umwelt: Der Bodenkoffer trägt dazu bei, gesunde Böden zu fördern und leistet damit einen Beitrag zum Bodenschutz.
- Bildung: Der Bodenkoffer kommt auch in Schulen zum Einsatz; außerdem gibt es laufend Weiterbildungsangebote für Landwirte und Landwirtinnen.
- Wirtschaft: Der Bodenkoffer hilft dabei, Dünge- und Pflanzenschutzmittel einzusparen, wovon landwirtschaftliche Betriebe profitieren.
Mehrwert durch Vernetzung
Auch in diesem Bereich ist der Bodenkoffer ein Vorzeigebeispiel, weil sich das „Erfinder-Team“ aus dem Bodenforscher DI Hermann Pennwieser (Bezirk Braunau), Norbert Ecker von AGRAR-EN (Bezirk Vöcklabruck), DI Elisabeth Murauer (Bezirk Ried) von der Boden.Wasser.Schutz.Beratung und Dipl.-Päd. Ulrike Kappacher von LEADER Oberinnviertel-Mattigtal zusammensetzt. Schon in der Entwicklung des Bodenkoffers kam es also zu einem Austausch unterschiedlicher Akteure aus privaten und öffentlichen Organisationen.
Das Team steht seit Projektbeginn (also seit 5 Jahren) in regelmäßigen Austausch und hat seit diesem Jahr drei weitere Stationen für den Bodenkoffer hinzugefügt und den Vanhoof-Profilspaten mit ins Programm aufgenommen.
Und welche neuen Möglichkeiten der Vernetzung und Kooperation konnten als Ergebnis des Projektes geschaffen werden?
Elisabeth Murauer (Wasser.Schutz.Beratung) präsentiert den Bodenkoffer bei ihren Veranstaltungen und Hermann Pennwieser und Norbert Ecker (AGRAR-EN) werden für Bodenkoffer-Einschulungen gebucht.
Innovation
Es gibt kein vergleichbares „Werkzeug“ zur Bodenbeurteilung samt digitaler Erfassungsmethode, das so einfach und kostengünstig angewendet werden kann. Damit ermöglicht das Projekt Landwirten und Landwirtinnen eine völlig neue Herangehensweise an das Thema „Boden“.
Die wichtigsten Lernerfahrungen
Es muss ein gewisser Leidensdruck bestehen, damit neue Ideen angenommen werden. Man muss den Bodenkoffer auch immer wieder in Erinnerung rufen, damit er regelmäßig benützt wird. Das klappt gut mit Veranstaltungen, die aus Theorie mit guten Vortragenden und einem Praxisteil direkt am Feld bestehen. Außerdem ist auch eine Portion Glück nötig, damit zur richtigen Zeit genau die richtigen Akteure an genau dem richtigen Ort sind und auf eine optimale Idee kommen.
Außerdem ist Mund-zu-Mund-Propaganda für Projekte mit begrenzten Möglichkeiten für Marketing von immenser Bedeutung.
Übertragbarkeit
Jede LEADER-Region, die ihn noch nicht hat, ist der Bodenkoffer ein schön abzuwickelndes Projekt, denn sie bekommen volle Unterstützung durch die LEADER-Region Oberinnviertel-Mattigtal von der Angebotslegung bis zur Einschulung und Abrechnung.
Und wurde das Projekt bereits kopiert? In der Region, in Österreich oder international?
Ja, 320 Bodenkoffer sind in LEADER-, KEM- und KLAR-Regionen in Ober- und Niederösterreich und Südtirol im Einsatz. Der Bodenkoffer wird außerdem in vielen Landwirtschaftsschulen in ganz Österreich und in Bayern verwendet und Organisationen aus Slowenien, Luxemburg und der Schweiz haben ebenso den Bodenkoffer im Einsatz wie Landwirte und Landwirtinnen in Südamerika.
Einbeziehung junger Menschen
Auch hier kann der Bodenkoffer punkten, denn er ist in sehr vielen Landwirtschaftsschulen in Österreich bereits fixer Bestandteil im Unterricht. Den Schülerinnen und Schülern ist es auch erlaubt, den Bodenkoffer mit nach Hause zu nehmen, um ihn auf den eigenen Feldern auszuprobieren und bekannt zu machen.
Einbeziehung von Frauen
Schon beim „Bodenkoffer-Team“ zeigt sich eine ausgewogene Mischung von Frauen- und Männeranteil. Aber es bleibt anzumerken, dass der Bodenkoffer völlig geschlechterneutral ist, denn er kann von jedermann/frau benützt werden.
Synergien mit anderen EU-Politiken
Trägt dieses Projekt zu den Zielen anderer europäischer und internationaler Politiken bei?
Ja:
× Langzeitvision für ländliche Gebiete in Europa bis 2040 (EU Long Term Vision)
× EU Biodiversitätsstrategie 2030