Case Study: Klauen-Q-Wohl – Projekt zur Verbesserung der Klauengesundheit und des Tierwohls von Milchkühen in Österreich

Allgemeine Informationen

Projektlaufzeit (Start- und Enddatum) 10/2017 – 09/2021
Projektregion Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien
Förderperiode
Maßnahme im GAP-Strategieplan  EIP-AGRI

Finanzierung in Euro

Gesamtprojektkosten (i)+(ii)+(iii) = 460.660,00 €
   + (i) GAP Strategieplan 100%
   + (ii) Private und Eigenmittel
   + (iii) Andere Finanzquellen

Kurzbeschreibung

Klauen- und Gliedmaßenprobleme bei Milchkühen entstehen durch Mängel bei der Haltung, Fütterung und Hygiene. Sie beeinträchtigen das Wohlbefinden der Tiere und bringen den Landwirtinnen und Landwirten betriebswirtschaftliche Nachteile.

Das Projekt „ARGE Klauen-Q-Wohl“ wollte Landwirte und Landwirtinnen und Klauenpfleger und Klauenpflegerinnen für Verbesserungsmaßnahmen in diesem Bereich sensibilisieren und motivieren. Es wurde eine Infrastruktur für die standardisierte Dokumentation und zentrale elektronische Erfassung von Klauenpflege- und Lahmheitsdaten sowie weiteren ausgewählten einzeltierbezogenen Tierwohlparametern in Österreich aufgebaut. Das inkludierte die Standardisierung der Klauenbefunde, Schnittstellen, eine zentrale Datenverarbeitung- und Speicherung als auch die Entwicklung der APP Klauenprofi.

Auf Basis dieser Daten wurden Risiko- und Einflussfaktoren für die Entstehung von Klauenerkrankungen und Lahmheiten sowie Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet. Die Ergebnisse stehen für das Herdenmanagement und die Zucht zur Verfügung und unterstützen dabei, tier- und betriebsindividuelle Verbesserungsmaßnahmen vorzunehmen. Die geschaffene Infrastruktur und Datengrundlage bildet auch die Grundlage für die Zuchtwertschätzung auf Klauengesundheit, die mit Dezember 2023 in der Routine eingeführt wurde und damit eine nachhaltige genetische Verbesserung der Klauengesundheit durch die Zucht unterstützt.

Was macht dieses Projekt besonders nachahmenswert?
  1. Aufbau einer standardisierten Klauendatenerfassung bis zur zentralen Datenspeicherung als Grundlage für Verbesserungen in Zucht und Management.
  2. Entwicklung eines praxistauglichen Tools, das es Landwirten und Landwirtinnen und Klauenpflegern und Klauenpflegerinnen erleichtert, Klauenbefunde zu dokumentieren, die dabei helfen, die Tiergesundheit zu verbessern.
  3. Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Projektteam.
Warum war es wichtig, dieses Projekt umzusetzen (Kontext)

Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen zählen zu den häufigsten Abgangsursachen von Milchkühen. Im Jahr 2016 waren dies 8% der Kühe in Österreich. Außerdem wurde berechnet, dass eine lahme Kuh bis zu 450 Euro pro Jahr kostet und den Landwirten und Landwirtinnen erhebliche finanzielle Einbußen verursacht. Gesunde Klauen sind daher wesentlich für das Wohlbefinden der Tiere, aber auch von wirtschaftlicher Bedeutung.

Vor Projektstart gab es in Österreich keine systematisch zentrale Erfassung und Auswertung für Lahmheiten und Klauenerkrankungen, die auch weitere Tierwohlparameter einbeziehen und so den multifaktoriellen Ursachen dieser Erkrankungen gerecht werden. Das Projekt Klauen-Q-Wohl hatte zum Ziel, eine österreichweite Infrastruktur zur zentralen standardisierten Erfassung und Auswertung von Daten zu Klauengesundheit, Lahmheit und Tierwohl aufzubauen.

Ziele

 

Projektziel war der Aufbau einer österreichweiten Infrastruktur zur zentralen standardisierten Erfassung und Auswertung von Daten zu Klauengesundheit, Lahmheit und Tierwohl.

Es wurden unterschiedliche Zielgruppen identifiziert – Landwirtinnen und Landwirte, Klauenpflegerinnen und Klauenpfleger, Milchkühe sowie Konsumentinnen und Konsumenten – und in der Projektplanung bedacht.

Klauenpflegerinnen und -pfleger, die durch ihre Arbeit tagtäglich einen Beitrag zur Verbesserung der Klauengesundheit leisten und durch ihre Ausbildung und Erfahrung das entsprechende Knowhow zu den Klauenproblemen mitbringen, stellten im Projekt eine wichtige Schlüsselrolle dar.

Ziel war es im Projekt, Programme zu entwickeln, die Klauenpfleger:innen eine elektronische Dokumentation der Klauenbefunde ermöglichen und eine einfache Übermittlung dieser an den Rinderdatenverbund zu gewährleisten. Auf den übersandten Daten aufbauend werden Auswertungen und Analysen mit den Klauenpfleger:innen geteilt, die jene in der Vor-Ort-Beratung auf Betrieben einsetzen. So war es Ziel, Klauenpfleger:innen Tools in die Hand zu geben, mit denen diese die Entwicklung ihrer Betriebe besser im Blick haben.

Die aufgebaute Infrastruktur und die Erkenntnisse wurden und werden genutzt, um Landwirtinnen und Landwirten Kennzahlen und Softwaretools zu bieten, die ihnen Stärken und Schwächen im Bereich Klauengesundheit und Tierwohl auf ihren Betrieben und gleichzeitig mögliche Lösungen, sowie den erreichten Fortschritt nach gesetzten Maßnahmen aufzeigen. Um die Gesundheit der Rinder auch züchterisch und damit nachhaltig und langfristig zu verbessern, stehen Landwirtinnen und Landwirten mittelfristig auch Zuchtwerte für Klauengesundheit zur Verfügung. Ziel war es somit auf Seiten der landwirtschaftlichen Praxis Bewusstseinsbildung und Wissenszuwachs im Bereich Klauengesundheit und Tierwohl zu generieren.

Zu den Zielsetzungen im Bereich des Tierwohls gehörte es, Milchkühen ein gesundes Fundament  und ein noch höheres Wohlbefinden zu bieten. Schlussendlich wurde beabsichtigt, Konsumentinnen und Konsumenten mit gesunden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln von Milchkühen zu versorgen

Maßnahmen im Projekt
  1. Erarbeitung eines Grobkonzepts für Maßnahmen zur Verbesserung der Klauengesundheit von Milchkühen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Leistungskontrolle, Beratung und Tiergesundheit.
  2. Schaffung eines Anreizsystems für Klauenpflegerinnen und -pfleger zur standardisierten elektronischen Datenerfassung und Übermittlung an die Rinderdatenbank.
  3. Erprobung der Datenerfassung und Test der Praxistauglichkeit auf Praxisbetrieben.
  4. Erarbeitung von Anforderungen an die EDV-Implementierung im Rinderdatenverbund.
  5. Datenvalidierung, statistische Auswertungen und Analysen und Entwicklung von Kennzahlen.
  6. Entwicklung digitaler Herdenmanagement-Auswertungen für Landwirtinnen und Landwirte und Entwicklung einer mobilen App zur Dokumentation der Klauenpflege
  7. Auswertung der Erhebungen, Berichterstattung an die Testbetriebe und Entwicklung und Test des Risikofaktorentools.
  8. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen, Qualitätssicherung, Sensibilisierung und Motivation von Landwirtinnen und Landwirten, Klauenpflegerinnen und Klauenpflegern für Maßnahmen in diesem Bereich.
Entscheidende Stakeholder
  • Landwirtschaftliche Betriebe
  • ARGE österreichischer Klauenpfleger
  • Landwirtschaftskammer Österreich
  • Leistungskontrollstelle Vorarlberg
  • LKV Austria Qualitätsmanagement GmbH
  • LKV Kärnten
  • SEG Informationstechnik GmbH
  • Tiergesundheitsdient Salzburg
  • Rinderzucht AUSTRIA
  • ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH
  • Veterinärmedizinische Universität Wien
  • Universität für Bodenkultur Wien
Ergebnisse und Wirkungen

Wirkungen quantitativ

  • 1397 Betriebe/ Nutzer der APP Klauenprofi in AT
  • 30 Klauenpfleger übermitteln Daten
  • 107 Klauenbefunde von 2200 Betrieben dokumentiert und übermittelt
  • Zuchtwert für Klauengesundheit für 6,5 Mio. Fleckvieh-Kühe in AT, DE, CZ und Sonstige sowie 650.097 Brown Swiss Kühe in AT, DE und Sonstige

Wirkungen qualitativ

  • Auswertungen zur Unterstützung des Herdenmanagements (Österreich und RDV Partner in Deutschland)
    • Gesteigertes Bewusstsein durch Überblick zum Vorkommen von Befunden und zur Entwicklung der Klauengesundheit in der Herde
    • Unterstützung beim Ausfindig machen von Verbesserungspotentialen, mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und Abgänge durch Klauenerkrankungen zu vermeiden (Tiere, Kosten)
  • Arbeitserleichterung und Zeitersparnis durch digitale Erfassung
  • Genetische Verbesserung der Klauengesundheit in Österreich und in den Partnerländern der Zuchtwertschätzung
  • Beitrag zur Verbesserung des Tierwohls
  • Beitrag zur Wirtschaftlichkeit / Kosten durch Klauenerkrankungen vermeiden / reduzieren

 

Mehrwert durch Vernetzung

Die Schaffung einer soliden Datengrundlage basiert an erster Stelle auf dem Vertrauen von Praktikerinnen und Praktikern, in den Umgang mit den von ihnen gesammelten Daten. Insbesondere die Einbindung der ARGE der Österreichischen Klauenpfleger und der landwirtschaftlichen Praxisbetriebe war essenziell, um Aufklärung und Vertrauen zu schaffen.

Die Verbreitung der App wurde dann maßgeblich durch Praktiker:innen unterstützt, die die Technologie mit Begeisterung weitertragen. Es wurde in ein solides landesweites Netzwerk investiert. Große Unterstützung wurde durch die Kontroll- und Zuchtverbände, die in allen Bundesländern vertreten sind und direkt mit den Praktiker:innen in Kontakt stehen, geleistet. Es wurden die bestehenden landwirtschaftlichen Medien genutzt und eine Brücke zum landwirtschaftlichen Bildungsbereich geschlagen.

Zudem wurde ein gemeinsames jährliches Treffen der Rinderzucht Austria und der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Klauenpfleger im Projekt ins Leben gerufen und nach Projektende weitergeführt.

Die Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftspartnern der Universität für Bodenkultur und der Veterinärmedizinischen Universität konnte gestärkt werden. Aufbauend auf dieser Kooperation wurden verschiedene Masterarbeiten durchgeführt und in weiteren Forschungsprojekten zusammengearbeitet. Verschiedene Publikationen bauen auf den im Rahmen Klauen-Q-Wohl geschaffenen Datengrundlagen auf.

Über Österreich hinaus konnten die Erfahrungen und Erkenntnisse im Aufbau des Projektes mit Partnern in der gemeinsamen Zuchtwertschätzung und anderen geteilt werden bzw. werden nach wie vor nachgefragt.

Innovation

Wesentlich war der Multi-Actor-Approach mit Einbindung von praktischen Klauenpflegerinnen und Klauenpflegern, Landwirtinnen und Landwirten, Vertreterinnen und Vertretern der Rinderzucht und der Leistungsprüfung, der Landwirtschaftskammer, der Wissenschaft und relevanter Firmen in diesem Bereich.

Durch Wissensaustausch der Projektleitung im Zuge der internationalen Harmonisierung der Klauen (ICAR Klauengesundheitsatlas) mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern konnte bei der Projektkonzeption auf wertvollen Erfahrungen aufgebaut werden.

Im Projekt wurde eine Schnittstelle zur elektronischen Übermittlung der Klauenbefunde geschaffen und eine App zur elektronischen Dokumentation von Klauenbefunden entwickelt.

Mithilfe des Projekts konnte erstmals in Österreich eine Datengrundlage geschaffen werden, welche die Möglichkeit bietet, mittel- bis langfristig die Klauengesundheit auch züchterisch zu verbessern.

Einbeziehung junger Menschen

Im Projektteam war die stellvertretende Projektleiterin unter 40 Jahre alt und auch weitere Kolleg:innen im Team der ZuchtData, aber auch bei den Klauenpflegerinnen und Klauenpfleger waren unter 40 Jahren.

Ein Fokus lag auf der Weiterbildung der Klauenpflegerinnen und Klauenpfleger, dabei wurden auch speziell für Neueinsteiger Kurse angeboten. Für Landwirtinnen und Landwirte wurden von den Mitgliedsorganisationen der Rinderzucht AUSTRIA Kurse und Weiterbildungsveranstaltungen angeboten.

Diese Projektinhalte sind auch über das Projekt hinaus weiter Bestandteil von Ausbildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen.

Einbeziehung von Frauen

Die stellvertretende Projektleiterin war eine junge Frau, die auch selbst einen Milchviehbetrieb führt. Ihre praktischen Erfahrungen waren wesentlich für die Entwicklung der App „Klauenprofi“.

Sie hatte auch sehr guten Zugang zu den Klauenpflegern und Klauenpflegerinnen. Es wurden Ausbildungen und Kurse für junge Klauenpfleger und Klauenpflegerinnen / Einsteiger angeboten. Bei den Klauenpflegern und Klauenpflegerinnen wurde intensiv mit einer Klauenpflegerin zusammengearbeitet.

Die wichtigsten Lernerfahrungen

Durch die Nutzung des internationalen Standards zur Dokumentation der Klauenbefunde wurde einerseits in Österreich die Grundlage gelegt, dass die Klauenbefunde national vergleichbar sind, aber auch, dass Anwendungen wie die im Projekt entwickelte App Klauenprofi international eingesetzt werden können. Die Vergleichbarkeit der Befunde auf internationaler Ebene ist auch wesentlich für die gemeinsame Zuchtwertschätzung zur Klauengesundheit.

Für die Akzeptanz von Neuerungen ist die gemeinsame Entwicklung wesentlich. Die unterschiedlichen Stakeholder haben unterschiedliches Wissen, Erfahrungen, Ansätze und Anforderungen, die am besten im Rahmen eines gemeinsamen Projektes zusammengeführt werden können. Durch die gemeinsame Entwicklung von Lösungen kann eine breite Anwendung in der Praxis erreicht werden.

Der Nutzen für die Zielgruppe / Praxis muss immer im Fokus der Entwicklung stehen. Dazu braucht es auch laufend die kritische Diskussion.

Für den Start der elektronischen Dokumentation der Klauenbefunde war ein Förderprogramm als Anreiz für die Motivation sehr wertvoll.

Bei der Konzeption der Entwicklung sollen auch bereits so weit als möglich über den konkreten Projektinhalt hinausgehende Weiterentwicklungen mitgedacht werden.

Die Entwicklung einer Zuchtwertschätzung für Klauengesundheit war nicht Bestandteil des Projektes Klauen-Q-Wohl. Es war aber ein erklärtes Ziel, die Datengrundlage dafür zu schaffen. Das inkludiert z.B. das Mitdenken dieser Nutzung der Daten bei den Datenschutz- Zustimmungserklärung (nur ein kleines Detail).

Übertragbarkeit

Mit der APP „Klauenprofi“ – können alle LKV Mitgliedsbetriebe unabhängig von Betriebsgröße und Standort arbeiten. Die App ist auch für LKV Betriebe in Deutschland nutzbar.

Synergien mit anderen EU-Politiken

Trägt dieses Projekt zu den Zielen anderer europäischer und internationaler Politiken bei?

☒ JA                   ☐ NEIN

Falls ja, zu welchen?

☒ Europäischer Grüner Deal

☐ Langzeitvision für ländliche Gebiete in Europa bis 2040 (EU Long Term Vision)

☐ EU Biodiversitätsstrategie 2030

☒ Vom Hof auf den Tisch (Farm to Fork Strategie)

☒ EU Digitalisierungsstrategie

☐ EU KMU-Strategie

☐ EU Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter

☒ UN-Nachhaltigkeitsziele SDG

Links
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Fotocredits: Klauen-Q-Wohl