Dürfen wir vorstellen? Die Farmfluencer! – Geflügelhof Daller
Vor zwei Jahren hat der Verein Wirtschaften am Land das Projekt farmfluencer_at ins Leben gerufen. Farmfluencer sind junge Bäuerinnen und Bauern, die über soziale Medien Einblicke in die Landwirtschaft geben. 24 Farmfluencer aus ganz Österreich zeigen der Gesellschaft das echte Leben am Hof und erklären, was die österreichische Land- und Forstwirtschaft leistet. Mit authentischen und informativen Beiträgen erreichen sie tausende Menschen und bringen dabei nicht nur die schönen Seiten der Landwirtschaft näher, sondern beleuchten auch die Herausforderungen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind. Gerade in einer Zeit, in der ein Großteil der Bevölkerung die Verbindung zur Landwirtschaft verloren haben, leisten die Farmfluencer wertvolle Aufklärungsarbeit. Zusammen mit der Jungen Landwirtschaft Österreich (JLW) möchten sie die Agrarkommunikation auf die nächste Stufe heben. Bei diesem gemeinsamen Projekt liegt ein besonderer Fokus auf den Themen Tierwohl, Kreislaufwirtschaft und der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. um das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu schärfen und positive Veränderungen zu bewirken.
Wir haben mit Anna Daller vom Geflügelhof Daller über das Thema „Mut“ gesprochen:
Mut bedeutet, auch in unsicheren Zeiten nach vorne zu gehen. Was hat dich dazu bewogen, dich als Farmfluencerin digital zu zeigen und Einblicke in deinen landwirtschaftlichen Alltag zu geben? Wo liegen deine Schwerpunkte?
Ich habe mit Social Media angefange,n um zu zeigen, wie viel Arbeit es ist, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, was Nebenerwerb heißt und auch Frauen in der Landwirtschaft zu vertreten und zu zeigen, dass Frauen genau die gleiche Rolle am Betrieb einnehmen können wie Männer. Ich will zeigen, was so eine Bäuerin alles machen muss und vor allem machen kann. Ich will auch für Resilienz stehen und Hürden mit einer Prise Humor nehmen und auch so teilen.
Der Schwerpunkt an meinem Betrieb ist die Direktvermarktung der Nudeln. In diesen Bereich stecke ich auch die meiste Zeit und Energie, um dies auszubauen. Dazu gehört die derzeit kleine Legehennenhaltung. Wir haben auch Ackerbau am Betrieb. Mit dem Ackerbau will ich mich in den nächsten Jahren dann noch tiefer befassen. Leider fehlte dafür bis jetzt immer die Zeit.
In Zeiten des Klimawandels, wirtschaftlicher Herausforderungen und gesellschaftlicher Veränderungen braucht es innovative Ansätze. Welche mutigen Entscheidungen hast du in deinem Betrieb getroffen, um zukunftsfähig zu bleiben?
Ich bin tatsächlich erst das zweite Jahr Betriebsführerin und habe deshalb noch wenige große Schritte gewagt bis dato, die Ideen und Pläne sind aber definitiv da. Ein großes Projekt war die Umstellung von den Elterntieren damals auf die kleine Legehennenhaltung. Ich habe überlegt, was die Konsument:innen wollen und das war eindeutig mehr Tierwohl und Transparenz. Wir haben somit einen sehr großräumigen Stall mit Fenstern für viel Tageslicht und im Hofladen Fenster in den Hühnerstall, wo die Konsument:innen beim Einkauf direkt auch sehen, wie es den Tieren geht, von denen die Produkte kommen.
Ein weiteres Projekt war der neue Trockenraum für die Nudeln, den wir Ende letztes Jahr aufgestellt haben. Die Nudelproduktion soll in weiterer Folge mit Sonnenenergie betrieben werden. Dieses Jahr werde ich den Auslauf für die Hühner noch fertig machen, für noch mehr Tierwohl.
Veränderungen sind oft mit Unsicherheiten verbunden und manchmal läuft nicht alles nach Plan. Gab es in deinem Berufsalltag Momente des „Scheiterns“ beziehungsweise des Wieder-Aufstehens – und was/ hast du daraus für dich (und deinen Betrieb) gelernt?
Tatsächlich gab es damals, als ich angefangen habe nach der Schule am Betrieb zu arbeiten, einen großen Moment der Ungewissheit. Es gab in dieser Zeit einige gesetzliche Änderungen, welche sich direkt auf unseren Betrieb ausgewirkt haben. Der Betrieb ist 2017 so umgebaut worden, dass ich in Zukunft zwei Gruppen Bio-Lege-Elterntiere halten und von der Landwirtschaft leben kann. Aufgrund der Änderungen, die damals gefordert waren und der daraus resultierenden Probleme, haben wir uns entschieden, die Elterntierhaltung aufzugeben.
Ich habe dann mit der Betriebsübernahme den Schritt gewagt, wieder Hühner einzustellen, aber im kleinen Rahmen, um selbst alle Rahmenbedingungen für meine Tiere und mich bestimmen zu können. Ich habe aus diesen Tiefpunkten gelernt, dass man immer auf kurzfristige Änderungen vorbereitet sein muss und für einen erfolgreichen Betrieb ausreichend finanzielle Puffer braucht, um auf solche Situationen entsprechend reagieren zu können. Vor allem will ich aber auch in Zukunft daran arbeiten, meinen Betrieb vielseitig aufzustellen, um nicht auf eine einzelne Einkommensquelle angewiesen zu sein, da dies auch eine höhere Krisensicherheit gewährleistet.
Was gibt dir persönlich Kraft und Zuversicht, trotz der vielen Herausforderungen, mit Leidenschaft und Innovationsgeist in die Zukunft der Landwirtschaft zu blicken?
Ich sehe meinen Betrieb als Chance, dass ich aus dem, woran meine Eltern ihr ganzes Leben gearbeitet haben und was sie über die Jahre aufgebaut haben, etwas Großartiges machen kann. Ein Bauernhof ist eine Chance, sich mit Ehrgeiz, Engagement und viel Mut etwas aufzubauen und sich selbst zu verwirklichen. Diese Chance bekommt nicht jede/r in ihrem/seinem Leben und ich bin sehr dankbar dafür.
Du bekommst mit einem Bauernhof ein Buch mit vielen Seiten, die du alle so beschreiben kannst, wie du willst. Dieser Gedanke schafft es (welche Hürden auch in Zukunft auf mich zukommen werden), dass ich mit Zuversicht Lösungen und neue Wege finde.
Mut ist ansteckend und Vorbilder können viel bewirken. Was würdest du anderen jungen Menschen raten, die sich für die Landwirtschaft interessieren, aber vielleicht Angst vor den Unsicherheiten und Herausforderungen in diesem Beruf haben?
Ich würde ihnen raten, mutig zu sein und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, wenn Begeisterung dafür da ist. Die Landwirtschaft bietet so viele Chancen, sich selbst zu verwirklichen, Spezialist:in in Gebieten zu werden, wo die wenigsten überhaupt einen Einblick bekommen. Ich habe den Betrieb mit 24 Jahren übernommen. Es ist eine große Herausforderung am Anfang und man weiß vieles nicht und einiges geht am Anfang auch schief. Man darf nicht gleich entmutigt werden und braucht ein dickes Fell. Ich bin ein Mensch, der immer Rückhalt braucht, weshalb ich auch noch neben der Landwirtschaft arbeiten gehe. Dies ist eine Option für Menschen, die auch dieses Sicherheitsnetz brauchen, falls etwas schief geht. Etwas, das ich den Menschen aber mitgeben will, ist, dass der Beruf Landwirtin und Landwirt harte Arbeit bedeutet. Er fordert Resilienz und Ehrgeiz. Vor allem am Anfang, wenn man sich erst etwas aufbauen will, muss man die Arbeit oft vor andere Dinge stellen. Ich würde den Menschen aber auch mitgeben, dass sie daran arbeiten sollen, etwas aufzubauen, das nicht das ganze Leben lang bedeutet, die Arbeit vor alles andere zu stellen.
Gibt es Momente, in denen du spürst, dass es als Frau in der Landwirtschaft besonderen Mut braucht? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Ich fühle mich als Frau in der Landwirtschaft oft unter Druck, mir keine Fehler erlauben zu dürfen. Vor allem, weil ich dafür einstehe, dass Frauen in der Landwirtschaft das Gleiche können wie Männer. Ich bin darum immer eher ängstlich, wenn ich etwas Neues lerne oder probiere, dass mich jemand dabei sieht, wie ich es nicht kann. Da brauche ich immer sehr viel Mut, trotzdem den Schritt zu wagen – sei es, Gülle fahren lernen oder mit der Motorsäge schneiden etc.
Es braucht für mich als Frau auch viel Mut, um Hilfe zu bitten. Ich versuche zwar immer nach dem Motto „Improvise – Adapt – Overcome“ zu leben und will zeigen, wie stark ich als Frau bin und was ich alles kann, aber manchmal reichen meine Kraft oder meine Fähigkeiten nicht und ich muss um Hilfe bitten. Da muss ich mich selbst auch immer überwinden.
Was bedeutet „Mut“ für dich persönlich?
Mut bedeutet für mich, für meine Werte, meinen Glauben und für mich selbst einzustehen. Mut bedeutet, für mich einzustehen und mich nicht von anderen klein machen zu lassen.
Es bedeutet immer an mich und meine Fähigkeiten zu glauben.
Mut bedeutet aber auch, einen Schritt zurückzugehen und sich neu zu orientieren, wenn es notwendig ist.
Anna Daller im Interview mit Stephanie Topf, Netzwerk Zukunftsraum Land