Zwischen Strategie und Struktur: Wie Gleichstellung in der GAP-Umsetzung gelingen kann
Die Arbeitsgruppe Geschlechtergleichstellung im Rahmen des GAP-Strategieplans wurde eingerichtet, um die Gleichstellung der Geschlechter in der Umsetzung und Wirkung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu verbessern.
Im GAP-Strategieplan ist die Geschlechtergleichstellung als ein zentrales Querschnittsthema verankert. Ziel ist es, Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern im landwirtschaftlichen Sektor und im ländlichen Raum sicherzustellen sowie bestehende Ungleichheiten abzubauen. Wir sprachen mit Veronika Resch-O’Hogain, Leiterin der Arbeitsgruppe, über deren Ziele, Maßnahmen und Wirkungen:
Frau Resch-O’Hogain, Sie leiten diese Arbeitsgruppe, was war die zentrale Motivation für deren Einrichtung?
Gleichstellung ist ein Thema, das alle Lebens- und Politikbereiche betrifft – so auch die Landwirtschaft und Regionalentwicklung. Vor etlichen Jahren las ich in einer österreichischen Tageszeitung zum Thema Gleichstellung den Satz: „Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichbleibender Verhaltensstarre“. Dieser Satz beschreibt für mich die Situation sehr treffend. Zwar wird in der männlich dominierten Agrarpolitik heute niemand mehr die wichtige Rolle von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben infrage stellen, doch die Bereitschaft, Veränderungen zugunsten von Frauen herbeizuführen, bleibt überschaubar.
Genau hier setzt die Arbeitsgruppe an: Wir wollen Möglichkeiten ausloten, wie Gleichstellung in der Umsetzung und Wirkung des GAP-Strategieplans verbessert werden kann. Wir, das sind in diesem Fall Stakeholder aus den Bereichen Agrarpolitik und ländliche Entwicklung, wie Kammern, Regierungsorganisationen und NGOs.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir nicht bei null anfangen. In den vergangenen Jahren wurden bereits konkrete Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt – oft unter Einbeziehung von Expert:innen in gemeinsamen Arbeitsgruppen. Dennoch bleibt viel zu tun.
Wie ist das Thema Geschlechtergleichstellung im GAP-Strategieplan strukturell verankert?
Die GAP-Strategieplan Verordnung gibt neun spezifische Ziele vor, welche durch die Umsetzung der Fördermaßnahmen erreicht werden sollen. Das Ziel 8 bezieht sich ausdrücklich auf die „Förderung […] der Gleichstellung der Geschlechter, einschließlich der Beteiligung von Frauen an der Landwirtschaft, sozialer Inklusion…“. Der Auftrag ist somit klar und deutlich formuliert – doch wie dieser erreicht werden soll, bleibt offen. Es lassen sich nicht auf den ersten Blick Fördermaßnahmen erkennen, die genau auf diese Zielsetzungen fokussieren. Daher verfolgen wir in Österreich den Ansatz, dass viele der bestehenden Maßnahmen eine Wirkung in Richtung Gleichstellung entfalten können – vorausgesetzt sie werden tatsächlich gleichstellungsorientiert umgesetzt. Hier gibt es viele Möglichkeiten, aber derzeit noch wenig Erfahrungen, welche Maßnahmen tatsächlich die Situation von Frauen in der Landwirtschaft verbessern.
Die Ausgestaltung der Förderprogramme ist je nach EU-Mitgliedsstaat sehr unterschiedlich, besonders spannend finde ich dabei die Ansätze anderer Länder wie Spanien oder Irland, die proaktiv vorgehen. Ihre Evaluierungen werden wertvolle Erkenntnisse liefern.
Was bedeutet aus Ihrer Sicht Gleichstellung im landwirtschaftlichen/ländlichen Kontext, und warum ist sie für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums so wichtig?
Ein Wirtschaftssektor oder eine Region kann sich nur dann langfristig gut entwickeln, wenn alle Menschen – unabhängig vom Geschlecht – eine finanzielle Existenz nach ihren Lebensentwürfen aufbauen und soziale Absicherung erreichen können. Doch Statistiken zeigen: Frauen haben oft einen schwierigeren Zugang zu Ressourcen. Sie erben seltener Betriebe – die häufigste Form des Eigentumserwerbs in der Landwirtschaft – und stoßen immer noch auf veraltete Rollenbilder in Familie, Werbung oder Beratung. Diese schränken ihre Entfaltungsmöglichkeiten ein oder erschweren sie zumindest erheblich.
Frauen sind zudem nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil in politischen Gremien vertreten; das gilt sinngemäß auch für die Mitsprache in den diversen Ebenen der Interessensvertretungen.
Dank engagierter Frauen und Männer wurden bereits Fortschritte erzielt. In der höheren landwirtschaftlichen Ausbildung sind Mädchen stark vertreten. Auch die Forderung von Frauen an politischer Mitsprache und Entscheidungsbefugnis wird aufgrund von Eigeninitiativen oder durch Programme vorangetrieben – doch handelt es sich meist um Einzelfälle und nicht um einen systemischen Ansatz.
Kurz gesagt: „Gleichstellung bedeutet, dass Frauen für ihre Arbeit in der Landwirtschaft gleiche finanzielle und soziale Absicherung sowie Anerkennung und politische Mitsprache erhalten – Voraussetzungen für gute Partnerschaften.“ Hier ist meiner Ansicht nach noch viel zu tun – von beiden Geschlechtern. Denn nur wer repräsentiert ist, kann sicherstellen, dass die eigenen Perspektiven und Rechte in politischen Maßnahmen, Programmen und Rechtstexten berücksichtigt werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen im landwirtschaftlichen Bereich?
Die größte Herausforderung sehe ich derzeit darin, überhaupt gemeinsame Ziele für Gleichstellungsmaßnahmen im landwirtschaftlichen Bereich zu definieren. Dafür müssen Entscheidungsträger:innen zunächst von den Vorteilen einer Gleichstellung überzeugt werden. Es ist ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft und für ein demokratisches System, wenn jede und jeder sich frei entfalten kann – ohne durch Rollenbilder eingeschränkt zu werden.
In Einzelgesprächen oder Workshops stoße ich oft auf zurückhaltende Zustimmung auf strategischer Ebene. Doch wenn ich konkret frage, ob man sich für die eigenen Kinder gleiche Chancen wünscht – sei es beim Zugang zu (finanziellen) Ressourcen oder bei der Entlohnung für Arbeitsleistungen und Absicherung –, ist die Antwort ein klares „Ja“.
Sobald dieser Wille zur Gleichstellung vorhanden ist, bleibt jedoch die Frage: An welchen Stellschrauben soll gedreht werden? Zum Glück können wir hierzu auf die Erkenntnisse von österreichischen Wissenschaftler:innen zurückgreifen, die zu diesem Thema schon langjährig forschen. Auch auf EU-Ebene werden derzeit mehrere Horizon-Projekte umgesetzt, die sich genau diesem Thema widmen.
Aufgrund der eingangs beschriebenen Situation fokussieren wir in unserer Arbeitsgruppe auf das Förderprogramm GAP-Strategieplan mit dem Ziel in wenigen ausgewählten Maßnahmen noch in der laufenden Umsetzung Gendermainstreaming-Ansätze einzubauen und haben hierzu einen konkreten Maßnahmenplan aufgestellt.
Die Arbeitsgruppe hat einen umfassenden Maßnahmenplan erarbeitet. Davon sind 3 Schwerpunkbereiche nun in Umsetzung: Gleichstellung in der Beratung, in Investitionen sowie im regionalen Kontext. Wie kam es zu dieser Priorisierung?
Der GAP-Strategieplan umfasst zahlreiche Maßnahmen, die sich beispielsweise hinsichtlich Zielsetzung (Nutzen auf betrieblicher Ebene oder auf regionaler Ebene), förderwerbenden Personen (Einzel-Antragsteller:innen versus kooperative Akteur:innen), landwirtschaftlicher Kontext oder ländlicher Raum unterscheiden. In Workshops haben wir diese Vielfalt anhand einiger Kriterien eingegrenzt. Die Priorisierung erfolgte beispielsweise anhand des Budgetvolumens, denn Interventionen mit hoher Dotierung lassen eine höhere Wirkung bei verbesserter Geschlechtergleichstellung erwarten. Außerdem sollte ein Handlungsspielraum gewährt sein – also Steuerungsschrauben, an denen auch während der laufenden Planumsetzung gedreht werden kann. Im Sinne einer evidenzbasierten Politikumsetzung sollte auch die Möglichkeit zur Erhebung von Daten und entsprechende Evaluierungsmöglichkeiten genutzt werden können.
Daraus ergab sich der Fokus auf die drei Bereiche:
- land- und forstwirtschaftliche Beratung,
- Investitionen und Diversifizierungstätigkeiten auf landwirtschaftlichen Betrieben,
- Fokus auf eine Region und den dort umgesetzten Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raums.
Ich freue mich, dass wir in all diesen Bereichen mit den entscheidenden Playern, also jenen Organisationen, die die Maßnahmen umsetzen, sehr konstruktiv zusammenarbeiten. So konnten wir in mehreren Workshops mit Vertreter:innen der Landwirtschaftskammern aus deren konkreten Erfahrungen in Beratungssituationen lernen und gemeinsam Lösungsansätze diskutieren.
Für den regionalen Fokus wurde die LEADER-Region Hermagor ausgewählt. Wird es weitere Pilotregionen geben?
Die LEADER-Region Hermagor hat sich als Pilotregion angeboten – ein wichtiger Schritt! Wir analysieren dort die bestehende lokale Entwicklungsstrategie unter dem Aspekt des Gendermainstreamings. Es geht also darum, sicherzustellen, dass bei der Umsetzung der geplanten Schwerpunkte und Projekte Frauen und Männer gleichermaßen profitieren. Um dies zu bewältigen, muss zuerst Wissen über die unterschiedlichen Bedürfnisse/Nutzungsverhalten von Männern und Frauen aufgebaut werden (Infrastruktur zur Mobilität, Dienstleistungen etc.).
Gemeinsam mit der Region werden Gleichstellungsziele und Maßnahmenansätze für konkrete Umsetzungsvorhaben erarbeitet. Um diesen Prozess zu begleiten, finanzieren wir eine Expertin, welche die Verantwortlichen der Leader-Region über den Zeitraum von mehreren Monaten gezielt unterstützt.
Aufbauend auf den Erfahrungen der LEADER-Region Hermagor möchten wir langfristig auch anderen Regionen Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Dabei wollen wir auch den Austausch mit anderen Fonds, wie beispielsweise dem ESF+, nutzen beziehungsweise auf Erkenntnisse von Regionen setzen, die aus Eigeninitiative eine Vorreiterrolle beim Thema Chancengleichheit einnehmen.
Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von den laufenden Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die langfristige Wirkung im landwirtschaftlichen Sektor?
Ich erwarte kleine, aber messbare Fortschritte auf struktureller Ebene, wie beispielsweise landwirtschaftliche Beratungsangebote, die explizit Frauen und Männer ansprechen und wo auf die Finanz- und Arbeitszeitressourcen aller am Hof Lebenden eingegangen wird. Hier geht es darum, die guten Leistungen einzelner Berater:innen in die Breite zu tragen. Außerdem erwarte ich mir auf Basis unserer Evaluierungsprojekte ein besseres Verständnis darüber, wie Frauen an den landwirtschaftlichen Investitionsförderungen teilhaben. Ähnliches gilt für die Umsetzung von LEADER-Projekten.
Langfristig erhoffe ich mir, dass wir aufgrund unserer guten Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe und den umgesetzten Projekten das Thema Chancengleichheit positiv besetzen können und somit dazu beitragen, dass sich eine gleichstellungsorientierte Kultur in der Agrarpolitik entwickelt. Diese sollte sich in den Zielsetzungen und Ausgestaltungen zukünftiger Politikmaßnahmen und Gremienbesetzungen widerspiegeln.
Für mich steht fest: langfristige Erfolge können nur gemeinsam erreicht werden – durch aktive Beteiligung beider Geschlechter.
Veronika Resch-O’Hogain ist Mitarbeiterin der Abteilung II/2: Koordination GAP-Strategiepläne und EU-Fischereifonds im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft.
Interview: Netzwerk Zukunftsraum Land/ Stephanie Topf